Mittwoch, 30. Januar 2013

Kinderbetreuungsnormen

Ich habe mir heute für den Elternbeirat mal die Arbeit gemacht den Betreuungs-/Personalschlüssel für Kitas in Thüringen angeschaut

Gesetzesnorm


Nach § 14 Abs. 2 ThüKitaG stehen einer Betreuungseinrichtung pro Kind folgenden Ressourcen zu:
Kindesalter
in Jahren
Betreuungssschlüssel
in Päd. Fachkräften
Personalschlüssel (9h Betreuung)
in Vollzeitstellen (40h)
>11/4 = 0,2500,352
1-21/6 = 0,1670,234
2-31/8 = 0,1250,176
3-61/16 = 0,0630,088

Betreuungsschlüssel


Ich bin nur Elternteil und kein Pädagoge, deswegen kann und will ich zu den Zahlen nichts sagen, ich zitiere aber mal aus der Pressemitteilung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugenärzte 20091:
Unter Berücksichtigung des aktuellen Erkenntnisstands der Bindungsforschung, der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Anhaltszahlen des Kinderbetreuungsgesetzes der Europäischen Union empfehlen Kinder- und Jugendärzte folgenden Betreuungsschlüssel:
  • für Säuglinge von 9 bis 12 Monaten: 1 Betreuerin für maximal 2 Kinder
  • für Kinder von 12 bis 24 Monaten: 1 Betreuerin für maximal 3 Kinder
  • für Kinder von 24 bis 36 Monaten: 1 Betreuerin für maximal 4 Kinder
Die Empfehlung lautet also kurz gesagt: Doppelt so viel Zeit pro Kind!

Systematik des Personalschlüssels


Eine Vollzeitstelle hat 40h pro Woche also 8h pro Tag. Damit ist für die 9h Betreuung pro Tag eine Vollzeitkraft plus eine Achtelvollzeitkraft nötig. Der Betreuungsschlüssel wir also mit 1+1/8 = 1,125 multipliziert. Darauf werden dann (das steht da nicht, das habe ich ausgerechnet) 25% zum Ausgleich von Fehlzeiten durch Urlaub, Krankheit und Fortbildung hinzugerechnet. Ich habe mir die Begründung zum Gesetzentwurf angeschaut, dort steht nichts zur genauen Umrechnung:

TageGrund
30Urlaub2
2Fortbildung3
16,3Krankheit4
48,3Gesamt

48,3 Fehltage bei 251 Arbeitstagen5 bedeuten, dass ich pro Vollzeitstelle einen Fehlzeitenausgleichbedarf von einer 24%-Stelle habe.

Anmerkungen


In der Berechnung ist nicht vorgesehen, dass Angestellt im Kindergarten öfter krank werden, obwohl der Beruf a) sehr anstrengend ist (körperlich und seelisch) und b) Eltern ein Lied darüber singen können, dass Kinder ständig krank sind und so die Angestellten anstecken können. Leider habe ich keine Quelle für den Krankenstand bei Erzieher_innen gefunden.
Die Leitung eines Kindergarten kann sich nun Luft verschaffen in dem Sie Schließtage einführt, also Tage an denen keine Kinderbetreuung angeboten wird und Urlaub angeordnet wird (z.B.: zwischen Weihnachten und Neujahr), der Fehlzeitenausgleichbedarf reduziert sich so exemplarisch6 bei fünf Tagen auf 21%. Das bedeutet jedoch für die Eltern, je nach Berufshintergrund, erhebliche Betreuungsengpässe.
Was in der ganzen Rechnung fehlt - darauf hat mich erst die Begründung zum Gesetz (siehe nächster Abschnitt) gebracht - sind Arbeitszeiten die keine Kinderbetreuungszeiten sind, also Vor- und Nachbereitungszeiten (Aufräumen, Dokumentation, etc.). Ich habe mal ausgerechnet wie viel Zeit den Angestellten bei fünft Schließtagen und den oben verwendeten durchschnittlichen Krankheitstagen bleibt: keine 20 Minuten pro vollem Arbeitstag, also bei einer Gruppe Vierjähriger 75 Sekunden pro Kind. Für Teambesprechungen, Elterngespräche und mehr als die vorgeschrieben Fortbildungen steht dann aber keine Arbeitszeit mehr zur Verfügung.

Begründung des Gesetzes


In der 2005er Version des Gesetztes (Entwurf mit Begründung siehe Seite 65) war der Schlüssel in § 16 Abs. 2 festgelegt. Die Landesregierung bemerkte: "Zusätzlich zum kindbezogenen Personalschlüssel wird jeweils ein kindbezogener Faktor für Vor- und Nachbereitungszeit [..] berücksichtigt" - berechnete wurde pro Kind (unabhängig vom Alter) ein Bedarf von 0,0025 Vollzeitbeschäftigten, das sind sechs Minuten pro Woche oder 72 Sekunden pro Tag.
In der Begründung zum Update des Gesetzes 2010 (Seite 18), in dem der Fehlzeitenausgleich eingeführt wurde, steht lakonisch: "Weitere Ausfallzeiten finden ebenfalls Berücksichtigung."

Fußnoten

  1. Pressemitteilung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V.) zum 15. Kongress Jugendmedizin vom 06. bis 08. März 2009 in Weimar
  2. Beispielhaft aus dem TVL 2012, ich weiß nicht wie Erzieher_innen angestellt sind, das unterscheidet sich auch sicher von Einrichtung zu Einrichtung.
  3. § 15 Abs. 4 ThüKitaG: "Die Fortbildung soll mindestens
    zwei volle Arbeitstage umfassen."
  4. Artikel in der WAZ vom 10.11.2011
  5. Berechnet sich nach "Benötigte Arbeitstage"/"Durchschnittliche reale Zahl Arbeitstage pro Vollzeitstelle" = "Benötigte reale Zahl Vollzeitstellen": 251/(251-48,3) = 1,238 Vollzeitstellen, ergo 24% Fehlzeitenausgleich
  6. Zum Beispiel 2012 in der Kita "Naturschwärmer" in Jena [Link]

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