Samstag, 1. Februar 2014

Triggerwarnung

Dieser Text erscheint in der Reihe
"Lieber Spontan schreiben als grüblen, verschieben und sein lassen".

Einführung

Ich habe endlich meinen geistigen Knoten durchschlagen, warum mich Triggerwarnungen so aufregen. Die Lösung für war nicht etwa die Unnützlichkeit sondern die Nützlichkeit dieser Warnungen. Diese wiederum wurde mir durch die mediale Verbreitung der Bilder des gefolterten Ukrainiers Dmitro Bulatow (Achtung, harter Tobak: Link zur Bildersuche) endgültig bewusst.

Theorie

Zur Zeit ist es in manchen (Internet)Kreisen üblich vor Texten, Links oder Videos zu Bildern die kein flauschiges Leben beinhalten durch das Wort "Triggerwarnung" zu warnen. Dahinter steckt die Theorie, Menschen, die in der Vergangenheit eine schwere psychische oder physische Verletzung erlitten haben und weiterhin darunter leiden - Stichwort "Posttraumatische Belastungsstörung" (PTBS) oft fälschlich "Trauma" - von sogenannten "Triggern" - Auslösern oder Schlüsselreizen - , fernzuhalten.
Ein Standardbeispiel ist eine Person mit einer PTBS aufgrund einer Vergewaltigungserfahrung durch die erneute Konfrontation mit dem Thema Vergewaltigung eine Panikattacke erleidet. Diese Person soll vor der Konfrontation mit dem Thema und der damit verbundenen Reaktion geschützt werden.
An diesem Ansatz gibt es aber zwei Kritikpunkte: Erstens kann alles ein Schlüsselreiz sein, zum Beispiel ein Geruch, Jahrestag oder Lied. Eine Triggerwarnung hilft also tatsächlich wenig. Zweitens signalisiert dieser Umgang mit dem Thema PTBS die Ignoranz diesem gegenüber. Eine PTBS sollte nicht mit Vermeidungsstrategien behandelt werden. Tatsächlich ist eine besonders wirksame (Psycho-)Therapie die begleitete Konfrontation und Erinnerung an das traumatische Erlebnis.

Analyse

Triggerwarnungen werden häufig vor die Berichte von menschenverachtenden Praktiken gesetzt, zum Beispiel Diskriminierung oder Gewalt. Und solche Berichte sind je nach ihrer Heftigkeit tatsächlich nichts worauf ich ungewarnt stoßen möchte. Aber nicht, weil ich Angst vor einem Flashback oder einer Panikattacke habe sondern weil einem solche Berichte schnell Mal den Tag verderben. Es gibt Menschen die ziehen sich um vier Uhr früh allein in einem besetzten Haus einen Saw-Film rein. Und es gibt Menschen die nach der Lektüre eines Harry-Potter-Buchs zwei Tage nicht richtig schlafen können. Wahrscheinlich befinden sich die meisten aufgrund ihrer Suggestivkraft und dem Nervenkostüm irgendwo zwischen diesen Extremen. Wir müssen uns nicht ständig, ungefiltert und ungefragt mit der ganzen Scheiße dieser Welt bewerfen lassen. Auch als sozial verantwortlicher Menschen bin ich dazu nicht verpflichtet

Fazit

Der Name "Triggerwarnung" ist schlecht, denn er suggeriert einen völlig falschen Zweck dieser Hinweise. Besonders ärgerlich ist, dass die unsinnige Erklärung zu angeblichem Sinn und Zweck der Hinweise häufig ungeprüft wiederholt wird.
Tatsächlich wünsche ich mir aber viel Warnhinweise vor menschenverachtenden Wort-, Ton- und Bild-Berichten. Ich möchte in der Zeitung nicht unbedingt mit Bildern von Verstümmelten aus den Kriegszonen dieser Welt konfrontiert werden. Ich will nach einer Demo nicht immer minutiös von jedem Pfefferangriff und Schlagstockeinsatz der Bullen lesen müssen. Und ich will auch selbst entscheiden, ob ich mich in diesem oder jenem Text mit dem Greul einer Vergewaltigung beschäftige. Ja, ich möchte manchmal einfach die Freiheit haben im Kopf zu glauben, dass es sowas wie einen gute, warme und freundliche Welt gibt.
Gleichzeitig brauche ich auch weiterhin Mut mich mit der Schlechtigkeit dieser Welt zu Beschäftigen, hinzuschauen und uns einzumischen. Aber nur so lange, wie es für mich passt. Denn in dem Moment in dem es für mich nicht mehr passt, erleiden ich ein Trauma.

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